AIESC XXVIII. Réunion annuelle de Chartres

 

Bericht über die Sitzung am 30.8. vormittags zum Thema

La dimension politique – un nouvel ordre est-il faisible? Moderation Manfred Spieker

 

Die Sitzung begann mit einem Erfahrungsbericht von Lidmila Nemcova aus Prag “MENE TEKEL – le mémoire des Tcheques sur les régimes totalitaires du passé“. Im Mittelpunkt des Berichts stand der Umgang mit der totalitären Vergangenheit nach dem Ende des totalitären Systems. Wie kann den Opfern des totalitären Systems Gerechtigkeit zuteilwerden, wenn die Täter auch noch die Gewinner des Untergangs des alten Systems sind? In der Diskussion kamen die unterschiedlichen Formen der Vergangenheitsbewältigung zur Sprache (Runde Tische, Wahrheitskommissionen, Archivsammlungen, Dicker Strich). Einigkeit bestand darin, dass der Aufbau einer Ordnung der Freiheit nur möglich ist, wenn die totalitäre Vergangenheit nicht verdrängt oder unterdrückt wird und die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden.

 

Father Ellis, anglikanischer Priester aus Accra, sprach über „Christian hope and new totalitarian threats in Africa“. Er sah in der auf Erwerb und Erhalt von Macht konzentrierten Politik eine permanente totalitäre Bedrohung, der er die Predigt des Evangeliums gegenüber stellte. In der lebhaften Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass die anglikanische Kirche in Ghana als Staatskirche zu sehr vom Staat abhängig sei, während die katholische Kirche als vom Staat unabhängige Kirche ihrem durchaus konfliktträchtigen Wächteramt besser nachkommen könne.

 

Rafael Alvira aus Madrid (früher Pamplona) fragte in seinem Beitrag „Moyens de former à la liberté pour la construction d’une société vraiment humaine“ aus philosophischer Perspektive nach den Bedingungen einer humanen Gesellschaft. Seine These, dass für eine humane Gesellschaft weniger die Demokratie als vielmehr die Familie als Zelle und Seele der Gesellschaft ausschlaggebend sei, führte zu intensiven Diskussionen. Zumindest die Gewaltenteilung sei ein unabdingbares Element einer freiheitlichen Gesellschaft.

 

Michel Veuthey aus Genf schloss den intensiven Vormittag mit einem Vortrag über „Le Totalitarisme du droit positif“ ab. Er zeigte anhand des Rechtspositivismus von Hans Kelsen, der auch gegenüber der totalitären Herrschaft des Nationalsozialismus ohnmächtig gewesen sei, dass nur eine naturrechtliche Fundierung des positiven Rechts den Weg in den Totalitarismus verhindern könne. Auf diese Notwendigkeit des Naturrechts habe Papst Benedikt und auch die Internationale Theologenkommission wiederholt hingewiesen. Auch der Charta und der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen liege diese naturrechtliche Fundierung zugrunde.

 

Manfred Spieker